Ob ein mann heimlich schwul ist schweiz bern

ob ein mann heimlich schwul ist schweiz bern

In meiner Familie wurde über gewisse Dinge nicht gesprochen. Dazu gehörte selbstverständlich die Sexualität. Alles, was mit dem Körper zu tun hatte, war mit einem unerklärlichen Makel behaftet. Die Selbstbefriedigung während der Pubertät löste in mir leidvolle Schuldgefühle aus, die ich mit Gebeten und Gute-Werke-Versprechen abzutragen suchte.

Wir waren sehr katholisch. Meine religiöse Erziehung und das seit je vorhandene Gefühl der Beheimatung in der Kirche und in allem Religiösen führten dazu, dass ich mich fürs Theologiestudium entschied. Während des ganzen Studiums wurde nie auf einer persönlichen Ebene über Sexualität gesprochen, auch im Priesterseminar Luzern nicht, wo ich die ersten drei Jahre wohnte.

Gerade das erscheint mir heute als ungeheuerlich: Hier werden junge Männer zu Priestern gemacht, aber während der ganzen Ausbildung wird ihre Körperlichkeit ignoriert. Das heisst doch nichts anderes, als dass sexuelle Gefühle eigentlich nicht sein dürften.

Denn nur was nicht sein darf, muss verborgen und verschwiegen bleiben. In dieser Zeit habe ich mich in einen Mann verliebt. Ich wollte es nicht, und habe mich mit viel Anstrengung dagegen gewehrt. Es war zwecklos, und das ist gut so, wie ich heute weiss. Aber damals war es schrecklich: Ich war nicht normal, etwas stimmte nicht mit mir.

Ich verabscheute mich und wusste, dass die Kirche mein Tun als unnatürliche Verirrung und grosse Sünde verurteilt.

Verborgene homosexualität in der schweiz: anzeichen und umgang, diskutiert in bern

In verschiedenen kirchlichen Stellungnahmen zur Homosexualität, mit denen ich mich in jener Zeit beschäftigte, las ich Begriffe wie «morbus» Krankheit , «peccatum» Sünde , «contra naturam» wider die Natur und gar «crimen» Verbrechen. Nie hätte ich gewagt, mich meinem Beichtvater anzuvertrauen, so schlimm erschien mir mein Tun.

Unglaublich war die Feststellung, dass es an der Theologischen Fakultät geradezu von Schwulen wimmelte. Einige standen offen zu ihrem Schwulsein und begannen, sich in ihrer schwulen Identität gegenseitig zu stärken, andere reagierten heimlich versteckt ihre sexuellen Gelüste aneinander ab und bereiteten sich im Übrigen auf ihr Priestertum vor.

Einige wenige versuchten standhaft und treu, ihr Ideal des Zölibats zu halten. Nur einen kenne ich, der dabei auch noch eine wirkliche Zufriedenheit ausstrahlte. Dieser Film, der die Geschichte eines katholischen Priesters in Irland zeigt, der sich in einen Mann verliebt, hat vielen Seelsorgern Aspekte der eigenen Biographie aufgezeigt.

Der Film gab Anlass zu vielen Diskussionen und zeigte das Bedürfnis, sich intensiv nicht nur mit dem Thema Homosexualität im Allgemeinen, sondern speziell innerhalb der Kirche auseinanderzusetzen. Daraus entstand der «Verein Schwule Seelsorger Schweiz». Als Pfarrer, Priester, Pastoralassistenten, Diakone, kirchliche Jugendarbeiter, Ordensmänner, Katecheten, Spitalseelsorger und Theologen aus den verschiedenen Kirchen tauschen wir in regelmässigen Treffen über unsere Arbeit und darüber aus, wie es uns als schwule Seelsorger dabei ergeht.

Immer wieder wird unsere kirchliche und gesellschaftliche Stellung reflektiert. Gemeinsam wollen wir gegen Diskriminierung vorgehen. In der befreienden Botschaft der Bibel finden wir unsere Spiritualität, die uns in unserer selbstbewussten Identität als schwule Seelsorger stärkt.

So gross wie die Anzahl der Mitglieder, so unterschiedlich sind auch die verschiedenen Standorte. Einige wenige sind das Risiko des Outing eingegangen, die meisten sind aus Angst vor Arbeitsverlust und Repressionen durch die Kirchenleitung auf absolute Anonymität angewiesen. Durch die klare Abweisung schwuler Seelsorger werden viele kirchliche Mitarbeiter zu einem Doppelleben gezwungen, weil sie ihre Arbeit, die sie lieben, nicht aufgeben wollen, aber auch weil sie einen Skandal vermeiden wollen und sich vor der Ungewissheit einer so herausgeforderten Zukunft fürchten.

Die Kontaktaufnahme mit unserem Verein ist für viele ein erster Schritt, sich überhaupt mit dem Thema der eigenen Homosexualität zu beschäftigen und auch zu hören, wie andere schwule Seelsorger mit der Tatsache umgehen, dass sie von der Institution abgelehnt werden, für welche sie arbeiten und leben.